1. Ausbau der Autonomie
Die Autonomie wird einerseits als wichtiger Grundpfeiler des Minderheitenschutzes betrachtet, dessen Annullierung als Rückschritt gesehen wird. Die Diskussion über die Autonomie soll innerhalb der gesamten Gemeinschaft erfolgen. Andererseits wird die Autonomie als „erschöpft“ bezeichnet bzw. allenfalls als gute Zwischenlösung im Hinblick auf die künftige Eigenstaatlichkeit oder die Rückkehr zu Österreich. Konkret soll der Staat nur 2-3 Kompetenzen behalten und die Rechtssicherheit für jene Kompetenzen geschaffen werden, die Südtirol selbst verwaltet (u.a. durch die Aufhebung der Suprematie-Klausel). Angemerkt wird, dass der Zentralismus auch andere Regionen betrifft. Die Autonomie solle konkret wie folgt weiterentwickelt werden: primäre Zuständigkeit im Gesundheitswesen; Übernahme der Agentur der Einnahmen von Seiten des Landes; Grundsätze zum Schutz des Territoriums und zur Vermeidung von Zersiedelungen im Bereich der Raumordnung; primäre Zuständigkeiten in Einwanderungsfragen und im Bereich des Grenzschutzes; Sportautonomie (eigene Flagge, Hymne und Olympisches Komitee); eine zweite Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bozen; eine internationale Ausrichtung des Schiedsgerichts bei der Handelskammer; Festschreiben der Autonomie der Genossenschaftsbanken in Südtirol im Autonomiestatut. Im Sinne des Subsidiaritätsgrundsatzes sollen Landeskompetenzen an die Gemeinden übertragen werden: Hierfür soll unter Berücksichtigung der Rolle der Landeshauptstadt ein entsprechender Rahmen festgelegt werden.
2. Bürger/-innenbeteiligung
Die Bedeutung von Gemeinschaftsdenken und Eigenverantwortung wird unterstrichen. Bürgerrechte haben zwei Seiten: Rechte und Pflichten. Bürgersinn, Mündigkeit und partizipative Teilhabe gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität sollen gefördert werden, etwa bei Verbauungskonzepten und Gewerbezonen. Die partizipative Kultur soll im Autonomiestatut verankert werden. Bedeutsame Beispiele sind: Bürgerversammlungen in Form von Open Space, Bildungsinitiativen durch Schulen, einlösbare Informationsrechte.
3. Einwanderung
Hierzu wird sehr kontrovers diskutiert. Man solle die Kriege beenden, die die Migrationswelle von Kriegsflüchtlingen ausgelöst haben. Es müsse eine Aufbauhilfe für Kriegsgebiete geleistet werden. Die Errichtung von Zäunen sei nicht die Lösung. Einer anderen Wortmeldung zufolge sind Zäune notwendig, da aus Afrika aufgrund der Klimaveränderungen potenziell 200 Millionen Menschen nach Europa kommen könnten. Eine Begrenzung der Zuwanderung sei notwendig, um die Wirksamkeit der Maßnahmen sicherzustellen. Klimaveränderungen sollten als Fluchtgrund ausgeschlossen werden, da es Technologien für höhere Ernteerträge gibt. Es wird die primäre Zuständigkeit Südtirols in Zuwanderungsfragen eingefordert und vor Parallelgesellschaften gewarnt: alle können „wir“ nicht aufnehmen. Jene, die kommen, sollten sich anpassen, keine Forderungen stellen und nicht kriminell werden. Viele Flüchtlinge aufzunehmen gehe zu Lasten der Lebensqualität. Auf der anderen Seite wird als positives Beispiel Terlan genannt.
4. Europaregion
Die Landtage sollten Kompetenzen an die Europaregion abtreten. Letztere soll bindende Beschlüsse gegenüber den Nationalstaaten fassen können. Weitere Anliegen sind die Zusammenarbeit der Universitäten, ein Euregio-Ticket für den öffentlichen Verkehr, grenzüberschreitende Sportligen, die Bewusstseinsschaffung des Euregioraums durch die mediale Berichterstattung sowie mehr Bürgerbeteiligung bei gemeinsamen Anliegen.
5. Kultur
Die unterschiedlichen Identitätskonstellationen sollen im Autonomiestatut berücksichtigt werden. Kultur müsse gelebt werden, auch in der Familie. Denn sie trägt zur Verwurzelung der Kinder bei. Bräuche stammen aus der Vergangenheit; auch neue Bräuche müssen entstehen. Die Autonomie soll die kulturellen Wurzeln stärken, damit Offenheit entsteht. Die kulturelle Vielfalt soll erhalten werden. Im Bereich der Jugendkultur sollen Vereine bürokratisch und finanziell unterstützt werden, jedoch nicht bei nationalistischer Ausrichtung. Zweisprachige Kulturmediatoren könnten dafür sorgen, dass die deutsche und die italienische Kultur einen Bezug zueinander entwickeln.
6. Ladinien
Auf regionaler Ebene solle eine eigene ladinische Gebietskörperschaft mit legislativen und administrativen Kompetenzen nach belgischem Muster errichtet werden, die neben der normalen Territorialadministration auch mit sprachgruppenspezifischen Verwaltungskompetenzen für die ladinische Sprachpflege und –entwicklung, Toponomastik, Kultur, Brauchtum und Unterrichtswesen ausgestattet sein soll. Für alle ladinischen Täler sollte ein Parlamentswahlkreis eingerichtet werden. Die sprachliche Zusammenarbeit der Ladiner wird als grundlegend für deren Fortbestand erachtet. Als Vorbild gilt die Schweiz.
7. Nachhaltigkeit
Im Autonomiestatut sollen Leitlinien und allgemeine Ziele zum Schutz der Natur, der Vielfalt der Landschaft und der Gesundheit festgehalten werden. Das Gemeinwohl soll primäres Ziel aller Gesetze sein und die Eigenverantwortung und der Bürgersinn sollen gestärkt werden. Rücksicht soll insbesondere auf die kleinstrukturierte Landwirtschaft genommen werden. Der Güterverkehr könne nicht wie bisher weiterlaufen, denn dies käme dem Kollaps des Verkehrs auf der Autobahn gleich. Die Kostenwahrheit wird eingefordert. Regionale Wirtschaftskreise könnten den Transitverkehr reduzieren. Südtirol soll im Spannungsfeld Global-Lokal zukunftsfest gemacht werden.
8. Präambel
Werte, Grundsätze und Menschenrechte sollen zusätzlich zu den Rechten und Pflichten der Einzelnen im Sinne einer gemeinwohlorientierten Gesellschaft erwähnt werden. Letztere wird als primäres Ziel der Gesetzgerbung betrachtet. Vor allem für öffentliche Betriebe mit Verpflichtung zur Wirksamkeitsüberprüfung werden die Entstehung von Gemeinwohlregionen und die Erstellung von Gemeinwohlbilanzen befürwortet. Auch sollen die Schutzmachtfunktion Österreichs und der Begriff „österreichische Minderheit“ sowie das Recht auf Doppelstaatsbürgerschaft in die Präambel mit aufgenommen werden.
9. Proporz und Mehrsprachigkeit
Einige bezeichnen den Proporz als Grundpfeiler der Autonomie und als unabdingbares Schutzinstrument aller Sprachgruppen. Für andere ist ein nicht zutreffendes (Sprachgruppen-)Bekenntnis nicht zumutbar: Der Proporz sei überholt. Er solle für 10 Jahre ausgesetzt werden, um die Auswirkungen zu überprüfen. Die Aussetzung stößt teilweise auf Zustimmung, während ein Abrücken von der Zweisprachigkeitspflicht abgelehnt wird. Kritisiert werden opportunistische Sprachgruppenerklärungen aus ökonomischen Gründen.
10. Schule
Einerseits diskutiert man über den unabdingbaren Erhalt des Art. 19 des Autonomiestatuts und spricht sich gegen Experimente aus. Zuerst müsse die Hochsprache gelernt werden. Andererseits wird das Recht der Eltern, sich für einen zweisprachigen Unterricht zu entscheiden, hervorgehoben. Diesbezüglich wird eine Ergänzung des Art. 19 vorgeschlagen, damit Kinder auch in Immersionsschulen eingeschrieben werden können. Als Alternative wird die Anlehnung an das britische Schulsystem ins Gespräch gebracht. Was die Didaktik betrifft, wird die Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts gefordert, aber auch mehr Zugang zur Berufswelt und die Förderung des Eigenlernens. Angeregt werden auch sprachgruppenübergreifende Pilotprojekte. Im Kindergarten soll das Recht auf Einschreibung deutscher Kinder in deutsche Kindergärten in Wohnortnähe im Autonomiestatut verankert werden. Andere können sich die Ausweitung des ladinischen Schulmodells auf den Kindergarten vorstellen. Die Kenntnis über die Autonomie solle auch Unterrichtsgegenstand sein.
11. Selbstbestimmung/Eigenständigkeit
Kontrovers sind die Meinungen zur Eigenstaatlichkeit Südtirols. Einerseits wird die Verankerung des Selbstbestimmungsrechts im Autonomiestatut gefordert und eine Abstimmung hierzu. Andererseits wird der Freistaat als irrealer Traum bezeichnet, der wirtschaftlich nicht umsetzbar sei. Einige halten die Bildung eines Freistaats aufgrund der guten Wirtschaftslage Südtirols jedoch für machbar. Die Italiener in Südtirol müssten in diesen Prozess eingebunden werden. Die Schweiz wird als Referenzmodell für autonome Verwaltung und Zusammenleben der Volksgruppen genannt. Südtirol gehöre zu Österreich, heißt es. Eine internationale Konferenz auf neutralem Boden solle über die politisch-territoriale Zukunft Südtirols beraten.
12. Soziales und Gesundheit
Der soziale Ausgleich sollte als Grundbedingung für Frieden im Autonomiestatut erwähnt werden. Im Sinne einer solidarischen Kultur sollte das, was die Gemeinschaft erwirtschaftet, in die Gemeinschaft zurückfließen. Das System der Sozialgesetze ist per se defizitär und auf Transfers angewiesen. Das bedingungslose Grundeinkommen und ein eigenes Sozialversicherungssystem sollen im Autonomiestatut verankert werden. Jedes solidarische System habe auch seine Grenzen.
13. Südtiroler Folteropfer
Zwei Zeitzeugen berichten im Open Space über ihre Erlebnisse in der Untersuchungshaft in den 60er Jahren. Es wird angeprangert, dass durch den italienischen Staat in Zeiten der republikanischen Ordnung Folterungen durchgeführt worden sind und jene großteils ungesühnt blieben. Folterungen werden als falsch und illegal bezeichnet. Im Gedenken an die Südtiroler Folteropfer sollen ein Dokumentationszentrum errichtet, ein Gedenktag mit den Flaggen auf Halbmast eingeführt und eine Schweigeminute im Landtag abgehalten werden. Stolpersteine könnten vor den Kasernen, in denen gefoltert wurde, und vor den Wohnhäusern der Opfer bzw. Angehörigen errichtet werden.
14. Toponomastik
Der Begriff „überethnische Toponomastik“ wird zur Diskussion gestellt. Damit ist gemeint, dass zur historischen Toponomastik eine volksgruppenübergreifende Identifikation möglich sei. Der Begriff „Sudtirolo“ soll anstelle von Alto Adige treten. Es wird bedauert, dass der Mut fehle, die faschistischen Dekrete abzuschaffen und wissenschaftliche Ansätze bei der Politik nicht auf Gehör stoßen. Die Prozentlösung unter Bezugnahme auf die Bevölkerungsanteile in den Gemeinden wird auch als Lösung genannt. Gefordert wird eine zivile und interethnische Diskussion zu dieser Thematik.