In der Pressemitteilung der Veranstaltung Autonomiekonvent/Forum der 100 10.12.2016 wurde folgendermaßen über das behandelte Thema Proporz berichtet:
"Ulrike Mahlknecht, die für die Landesabteilung Arbeit die Einhaltung des Proporzes bei den Staatsstellen überwacht, hat in der vierten Arbeitsgruppe auf die weiter bestehende Differenz zwischen zustehenden und zugewiesenen Stellen für die Minderheiten hingewiesen und vor einer Abschaffung oder Aufweichung der 1976 eingeführten Bestimmung gewarnt. In der fünften Arbeitsgruppe hat auch Jens Woelk, Professor für vergleichendes Verfassungsrecht an der Uni Trient, vor einer Aufweichung der Proporzbestimmungen, die es zum Teil schon gebe, gewarnt und die Bedeutung der Zweisprachigkeitspflicht betont." (aus https://www.konvent.bz.it/de/content/treffen-mit-experten-und-vorgaben-fuer-die-erstellung-der-abschlussdokumente )
Durchlesen der beantworteten Fragen von Dr. Mahlknecht und Prof. Dr. Woelk zeigen, dass eine einseitige undifferenzierte Sichtweise und Wertungen im Artikel (Warnung!)vorgenommen werden, ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung zu führen. Die Antwort von Professor Woelk kann man sicher nicht auf eine Warnung vor einer Aufweichung von Proporzbestimmungen reduzieren. Der namentlich nicht genannte Verfasser des Artikels ist unzureichend informiert. Ich empfehle folgendes Zitat:
" Eine wesentliche Frage ist, ob die Gleichgewichte, die man bei Einführung des Proporzes wiederherstellen wollte, mittlerweile erreicht worden sind? Und falls ja, sollte man deswegen auf seine Beibehaltung verzichten, ihn aussetzen oder dies zumindest in Teilbereichen tun (politische Frage)? Ist es vorstellbar, ihn bei Aussetzung im Falle des Auftretens neuer, starker Ungleichgewichte wieder einzusetzen? In der Praxis ist die sog. „flexible“ Handhabung des Proporzes seit längerem Realität (LG Nr. 40/1988 und Durchführungsverordnung dazu sowie Absatz 3 in Artikel 8 D.P.R. Nr. 752/1976). Sie ist aber rechtlich nicht unproblematisch, da die sichere Festschreibung der Quoten durch den Gesetzgeber (gesetzliche Regelungen sind bei Grundrechtseingriffen verpflichtend) durch die von der Regierung verfügte zeitweise „Übererfüllung“ von Kontingenten zugunsten einer Gruppe abgelöst wird, wenn eine andere Gruppe ihre Quote nicht ausfüllen kann. Damit „funktioniert“ der Proporz zwar, er ist jedoch nicht länger in erster Linie Minderheitenschutzinstrument, sondern eine Regelung zur Verteilung von Arbeitsplätzen nach Sprachgruppenzugehörigkeit. Anstelle einer radikalen Abschaffung des Proporzes könnte man als Alternative zur derzeitigen Regelung mit detaillierten Stellenplänen auch an eine allgemeinere Formulierung im Autonomiestatut denken, durch welche die zuständigen Institutionen dazu verpflichtet werden, bei Auswahlentscheidungen die Bevölkerungsverhältnisse und die Zahlen der bereits Beschäftigten zu berücksichtigen. Dies kann dann als rechtliche Grundlage dafür dienen, ähnlich wie bei den Vorschriften über die Chancengleichheit für Frauen, dass bei gleicher Qualifikation der Bewerber und Unterrepräsentierung einer Gruppe der Bewerber dieser Gruppe zu bevorzugen ist. Das zweite „Standbein“ des Proporzes, neben der für die Bewerbung auf eine „reservierte“ Stelle notwendige, mit der Ausschreibung übereinstimmenden Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung, ist der ergänzend beizubringende Zweisprachigkeitsnachweis. Auch dieses für eine zweisprachige Verwaltung notwendige und funktionale Kriterium könnte insbesondere bei einem Abgehen von der Quotenregelung für Sprachgruppen weiter verstärkt werden. Spracherwerb beruht vor allem auf Motivation und Freiwilligkeit. Daher sollte man neben der Prüfung von Nachweisen der Sprachkenntnisse vor der Einstellung (eine diskutierte Möglichkeit ist die Durchführung von – Teilen der – Prüfungen bei Wettbewerben in unterschiedlichen Sprachen) auf Maßnahmen setzen, die durch bessere Beförderungsmöglichkeiten und finanzielle Anreize sowie im Arbeitsumfeld die Einsicht befördern, dass die Verbesserung der Sprachkenntnisse sowohl im eigenen Interesse ist wie auch der Allgemeinheit und einer effektiv(en) zweisprachigen Verwaltung dient. Zusätzliche Sprachkurse können dabei sicher hilfreich sein, als Sanktion werden sie jedoch das Ziel einer Verbesserung nur schwer erreichen. Eine positive Bewertung der Mehrsprachigkeit in der Politik und der Gesellschaft sowie Möglichkeiten zum Austausch, innerhalb des Arbeitsumfelds und außerhalb, sind daher wichtige Begleitmaßnahmen. (Prof. Jens Woelk aus https://www.konvent.bz.it/sites/default/files/atoms/files/f100_10-12-2016_antworten_experten-risposte_esperti.pdf).
Berichtet wurde von internationalen Beispielen, denen der Proporz als Vorlage zur Beseitigung von ethnisch geprägten Konflikten gedient habe. Das Ohrider Abkommen von Mazedonien gilt neben dem Vertrag von Dayton als wichtigstes Dokumente für den Erhalt von Frieden auf dem Balkan. Trotz des nur einige Jahre zurückliegenen Konflikts werden in Mazedonien Stellen nicht nach Ethnie vergeben, sondern es wird lediglich kontrolliert, ob über die Jahre eine den ethnischen Gruppen entsprechende Einhaltung der Kontingente erfolgt. Mehrerer demokratischer Elemente – wie z. B. des Minderheitenvotums – tragen dazu bei, dass eine Beteiligung am Entscheidungsfindungsprozess und somit an legislativen Verfahren und bei der Verfassungsausgestaltung erreicht wird (Anm.: nach dem Referendum ist vor dem Referendum?)
Quellenangabe::
http://www.kas.de/mazedonien/de/publications/23618/
https://de.wikipedia.org/wiki/Hembygdsr%C3%A4tt
Kommentar hinzufügen