Form und Ziel des "Konvents" erinnert mich sehr stark an die 70er jahre, als eine bunte linke Szene in formal demokratischen Basis-Versammlungen den Kapitalismus analysierte und sich im Enigma "Reform oder Revolution" phraseologierte, um dann schließlich die Weltveränderung im Partykeller zu beenden. Dabei wären heute die Chancen für neue Zukunftsperspektiven des des südlichen Landesteils Tirol viel größer als in Vergangenheit. Doch in der Praxis finden nicht einmal die derzeitigen Autonomiebestimmungen volle Anwendung. Dennoch gibt es wieder genügend Kräfte, die unter dem Dechmantel einer partizipatorischen Demokratie und Modernisierung an entscheidenden Säulen des Minderheitenschutzes nagen möchten. Die Erfahrung lehrt: zuerst reicht man den Finger, dann wollen sie die ganze Hand. Solange wir in einem Staate leben, der bestrebt ist aus den Südtirolern "gute Trikoloreträger" zu machen, brauchen wir Schutzbestimmungen, eine kulturelle, wirtschaftliche und politische Selbstverwaltung und internationale Absicherungen. Man braucht sich im Alltagsumgang nur umzuhören und umzusehen, um zu erkennen, dass es mit dem Gebrauch der deutschen Sprache arg hapert. Zudem besteht noch eine überflüssige, geldfressende Region und ein genauso unnotiges Regierungskommissariat. Um nicht zu sprechen über andere Problematiken: Telekommunikation, Ortsnamen, Zuwanderung, Landespolizei, Gerichtsbarkeit, Sportautonomie, Landesversicherungsanstalt, Verkehr, Steuerhoheit, Tarifautonomie, Wirtschafts- und Arbeitsrecht. Gerade in diesen Bereichen wären maßgeschneiderte südtirolspezifische Lösungen längst fällig gewesen. Es wäre Aufgabe der politischen Entscheidungsträger gewesen auf all diesen Themen- und Problemfeldern aktiv zu werden, in die Offensive zu gehen und nicht einem althergebrachten, typisch italienischen Autonomie-Revisionismus nachzurennen. Denn die Experimentierpolitik (Proporz, Schule...) führen zu nichts, außer langfristig zur Assimilation und zu einer Verschiebung im Volksgruppenverhältnis. Der antifaschistische Bozner Postlersohn, Stefan Valentinotti, der wegen seiner Russlandsympathie und seines aufopferungsvollen Einsatzes für ein unabhängiges und selbständiges Südtirol von den Schergen Benito Mussolinis und Adolf Hitlers verfolgt, verhaftet und am 24. Oktober 1944 in Brandenburg enthauptet wurde, schrieb in einem seiner letzten Briefe: "...ich hoffe mein Tun und Schaffen für unsere schöne Heimat Südtirol, für das Deutschtum ist nicht umsonst gewesen...". Alles zu tun damit die Südtiroler für ihre Tiroler Identität kämpfen und das Land nicht zu einer normalen, italienischen Provinz heruntergewürgt wird, sind wir ihm und allen Opfern des Freiheitskampfes schuldig.
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