Prämisse
Das Thema Selbstbestimmung muss einer freien und offenen Diskussion zugänglich bleiben und es darf nicht auf einer rückwärtsgewandten ethnisch orientierten Grundlage abgehandelt und deshalb politisch tabuisiert werden.
Selbstbestimmung
Das Selbstbestimmungsrecht soll nicht nur von Völkern, sondern auch von territorialen, kulturellen und wirtschaftlichen Einheiten ausgeübt werden können. Solche kleinen Einheiten können sich sozial und ökologisch verträglicher, ökonomisch erfolgreicher sowie für Bürgerinnen und Bürger zufriedenstellender politisch selbst bestimmen und verwalten, als Nationalstaaten. Sie sind auch eine wichtige Antwort auf die unkontrollierte Globalisierung, die nur den Gesetzen einer neoliberalen Wirtschaftsordnung gehorcht.
Europa der Regionen
Es besteht eine lange philosophische und politische Tradition, welche die Zukunft Europas
in einem Ende der Vormachtstellung der Nationalstaaten und in seiner Organisation als Verbund von Konföderationen (Europaregionen) sehen. Ein zukünftiges Europa soll gedacht werden als Zusammenschluss einer wachsenden Zahl von vollständig souveränen Kantonen mit solidarisch subsidiär organisierter Struktur, die sich zu Konföderationen zusammenschließen können: beispielsweise alpine Kantone wie Nordtirol, Südtirol, Trentino, Ladinien, Cadore, Carnia, Valtellina u.a. zu einer ‚Alpinen Konföderation‘. Im Unterschied zu den Nationalstaaten wäre Europa damit eine gewollte Einheit, die Verschiedenheit garantiert. Geeint wird dieses vielgestaltige Europa der Regionen von einer Verfassung der Menschen- und Bürgerrechte, der politischen und persönlichen Freiheiten, der sozialen Rechte und Pflichten, der Selbstverantwortung und Selbstorganisation. Eine solche europäische Verfassung verpflichtet alle auf die Demokratie als der Möglichkeit der Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger in allen für sie wichtigen Fragen.
Welche Forderungen?
Heute die Forderung nach Selbstbestimmung zu erheben verkennt die Tatsache, dass zuallererst die Frage beantwortet werden muss, wie wir überhaupt zusammenleben wollen – auf der Basis welcher Werte und Regeln, die von allen hier lebenden Sprachgruppen geteilt werden können. Das heißt, zuallererst wäre eine von der Bevölkerung zu wählende verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Dass solches möglich ist, zeigt uns z.B. der Kanton Zürich, in dem 2000-2005 ein 100-köpfiger Verfassungsrat mit intensiver Bürgerbeteiligung eine neue Verfassung erarbeitet hat, die anschließend einer Volksabstimmung unterbreitet wurde. Ebenso hat 2010-2011 in Island ein aus Bürgern bestehender und von Bürgern gewählter Rat eine neue Verfassung geschrieben. Erst nach einer solchen verfassungsgebenden Arbeit kann zum nächsten Schritt übergegangen werden. Dieser bestünde dann in der Beantwortung der Frage, wo wir ein solches Zusammenleben am besten verwirklichen können: ob im Staat Italien, in einem anderen Staat, in einem eigenen Staat – oder wo auch immer. Damit stünde die Frage nicht mehr vor einem auf die Vergangenheit fixierten und, weil ethnisch gefärbten, für viele Menschen bedrohlichen Hintergrund.
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